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Trinkwasser: gemeindliche Pflichtaufgabe

Publiziert am: 8. April 2015 von IKT-Admin

Auszug  aus einer rechtsgutachterlichen Stellungnahme

von RA Dr. Jochen Hofmann-Hoeppel / Höchberg
Ergebnis:Soweit und solange eine quantitativ und qualitativ ausreichende Bedarfsdeckung mit Trinkwasser aus ortsnahen Vorkommen mit vertretbarem Aufwand möglich ist, ist sie vorrangig zu verwirklichen, dies auch dann, wenn die Kosten höher sind als die Bedarfsdeckung aus ortsfernen Wasservorkommen (Fernwasserversorgung).

 Kommunale Trinkwasserversorgung als gemeindliche Pflichtaufgabe (Download)

Rechtliche Grundlagen der Trinkwasserversorgung

1. Die gemeindliche Verpflichtung, die aus Gründen des öffentlichen Wohls erforderlichen Einrichtungen zur Versorgung mit Trinkwasser unbeschadet bestehender Verbindlichkeiten Dritter in den Grenzen gemeindlicher Leistungsfähigkeit herzustellen und zu unterhalten, ist gemäß Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayGO gemeindliche Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft (Art. 83 Abs. 1 BV i. V. m. Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BayGO).

2. „Flankiert“ werden die landesrechtlichen Regelungen von BayGO und BayFwG durch das WHG des Bundes:

a)         Gemäß § 1 a Abs. 3 WHG a. F. war durch Landesrecht zu bestimmen, dass der Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung vorrangig aus ortsnahen Wasservorkommen zu decken ist, soweit überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit nicht entgegen stehen.

Nach h. M. war damit durch den Bundesgesetzgeber beabsichtigt,

1.     den verantwortungsvollen Umgang mit regional zur Verfügung stehenden Wasserressourcen zu stärken,

2.     besonders wertvolle Wasservorkommen vor einer großräumigen Überforderung zu schützen, flächendeckend den Grundwasserschutz zu fördern und

3.     die transportbedingten Risiken für die Trinkwasserqualität zu vermeiden oder zu verringern

vgl. insoweit Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Auflage 2004, RdNrn. 167 ff.; Czychowski/Reinhardt, WHG, Kommentar, 9. Auflage 2007, § 1a WHG, RdNr. 25a; Hendler/Grewing, Der Grundsatz der ortsnahen Versorgung im Wasserrecht, ZUR 2001 (Sonderheft), Seite 146 ff.

Nach herrschender Meinung trat damit durch den grundsätzlichen Vorrang ortsnaher Wasserversorgung im Interesse der Gewässerbewirtschaftung sowie der Gewährleistung der Versorgungssicherheit hinsichtlich der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, 11 Abs. 1 Satz 1 BV eine Einschränkung insoweit ein, als es sich bei § 1a Abs. 3 WHG a. F. um ein gesetzliches Optimierungsgebot mit der Folge handelte, dass es der Abwägung grundsätzlich zugänglich und bedürftig war und eine größtmögliche Verwirklichung nach Maßgabe eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses gebot

vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, Kommentar, 9. Auflage 2007, § 1a WHG, RdNr. 25c.

b)         Der in § 1a Abs. 3 WHG mit dem o. g. Wortlaut enthaltene „Grundsatz“ als „gemeinsame Bestimmung für Gewässer“ wurde nach der erfolgten Novellierung des WHG durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 31.07.2009 (BGBl. I, Seite 2585 ff.) auf der Grundlage des durch Art. 1 des Änderungsgesetzes zum Grundgesetz vom 28.08.2006 (BGBI. I, Seite 2034) neu eingefügten Titels der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG („Wasserhaushalt“) mit identischer Zielrichtung in § 50 Abs. 2 WHG dahingehend übernommen, dass

Ø     der Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung vorrangig aus ortsnahen Wasservorkommen zu decken ist, soweit überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegen stehen (§ 50 Abs. 2 Satz 1 WHG n. F.),

Ø     der Bedarf „insbesondere“ dann mit Wasser aus ortsfernen Wasservorkommen gedeckt werden darf, wenn eine Versorgung aus ortsnahen Wasservorkommen nicht in ausreichender Menge oder Güte oder nicht mit vertretbarem Aufwand sichergestellt werden kann {§ 50 Abs. 2 Satz 2 WGH n. F.).

 

Gemäß § 50 Abs. 3 WHG n. F. haben die Träger der öffentlichen Wasserversorgung

Ø     auf einen sorgsamen Umgang mit Wasser hinzuwirken (§ 50 Abs. 3 Satz 1 WHG n. F.),

Ø     die Wasserverluste in ihren Einrichtungen gering zu halten und

Ø     die Endverbraucher über Maßnahmen zur Einsparung von Wasser unter Beachtung der hygienischen Anforderungen zu informieren (§ 50 Abs. 3 Satz 2 WHG n. F.).

Hinsichtlich der Maßgabe des § 50 Abs. 2 Satz 2 WHG n. F., wonach eine Bedarfsdeckung aus ortsfernen Wasservorkommen u. a. dann zulässig ist, wenn die Versorgung aus ortsnahen Wasservorkommen „nicht mit vertretbarem Aufwand sichergestellt werden kann“, stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem nicht „vertretbaren“ Aufwand auszugehen ist.

Breuer: Wasserpreise und Kartellrecht, NVwZ 2009, 1249 ff., 1251

hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Vorrang der ortsnahen Wasserversorgung, der durch § 50 Abs. 2 Satz 1 WHG n. F. verdeutlicht und hinsichtlich seiner unmittelbaren Geltung verstärkt worden sei, finanzielle Gesichtspunkte der Gestalt einschließt, dass die Überschreitung der Kosten einer Eigenwasserversorgung durch Kosten des Fernwasserbezugs für sich genommen keine Abweichung vom Grundsatz der ortsnahen Versorgung rechtfertigt.

Mit anderen Worten: Soweit und solange eine quantitativ und qualitativ ausreichende Bedarfsdeckung aus ortsnahen Vorkommen mit vertretbarem Aufwand möglich ist, ist sie vorrangig zu verwirklichen, dies auch dann, wenn die Kosten höher sind als die Bedarfsdeckung aus ortsfernen Wasservorkommen (Fernwasserversorgung).