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Abstimmung gegen die Privatisierung des Trinkwassers

Publiziert am: 10. Februar 2013 von Brigitte Muth-von Hinten

Unterschriften gegen die Privatisierung des Trinkwassers

Seit über einem Jahrzehnt wehrt sich die Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung (IKT) gegen die Liberalisierung und Privatisierung beim Trinkwasser. Jetzt droht mit der neuen Richtlinie der EU zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ein neuer Schub in Richtung Privatisierung, obwohl in den letzten Jahren viele Städte schlechte Erfahrungen mit Privatisierungen gemacht haben. Bei EU-weiten Ausschreibungen kämen vor allem die großen Konzerne zum Zug.

Daher unterstützt die IKT die Europäische Bürgerinitiative „right2water“, die sich für das Bürgerrecht auf gesundes Trinkwasser und für eine Trinkwasserversorgung in öffentlicher Hand einsetzt.

Unterstützen auch Sie diese Unterschriftensammlung. Weitere Informationen unter dem Link
„Abstimmen gegen Wasserprivatisierung“.

Aktuell: 23.7.13
Unterdessen hat EU-Kommissar Barnier erklärt, die Wasserwirtschaft bei der EU-Konzessionsrichtlinie auszuklammern. Aber die IKT und die AÖW, die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft, bleiben misstrauisch. Lesen Sie mehr dazu auf der Seite der AÖW.
Unterstützen Sie weiter die Bürgerinitiatoive „right2water“.

(Zur dezentralen Trinkwasserversorgung zählt die IKT im ländlichen Bereich allerdings auch die Versorgung durch private Hausbrunnen in Bürgerhand.)

Besonders unterstützen wir die Forderung „Wasserdienstleistungen dürfen nicht zu kommerziellen Dienstleistungen werden. Aus diesem Grund sind sie vom Geltungsbereich der Binnenmarktvorschriften auszunehmen.“  und  „Wasser und sanitäre Dienstleistungen nicht zu liberalisieren“ und „Wasser und sanitäre Dienstleistungen nicht zum Gegenstand von Handelsabkommen wie dem CETA zu machen“.

Die kommunalen Trinkwasserversorgungen sind kostendeckende Einrichtungen, hier können die Bürger transparente Abrechnungen einfordern – nach Privatisierungen müssen sie zusätzlich den Gewinn der Unternehmen finanzieren. D.h. als erstes müssen sie über die Gebühren den Kaufpreis für die bereits abbezahlte Versorgungseinrichtung noch einmal bezahlen!

Wasser ist eine unserer wichtigsten Lebensgrundlagen, es steht unter dem Schutz der Bayerischen Verfassung. Durch die Trinkwassergewinnung vor Ort sind die Bürger auch bereit, für den Grundwasserschutz entsprechende Einschränkungen hinzunehmen – aber nicht zugunsten großer Konzerne. Der Grundwasserschutz und das Recht auf gesundes Trinkwasser muss Vorrang vor einer liberalen Handelspolitik haben.
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Mehr zur Haltung der IKT zu Privatisierungen unter dem Stichwort „Wasser“. Über die Erfahrungen mit Privatisierungen und die Hoffnung auf neue Einsichten berichtete der IKT-Info-Dienst im März  2012:

 Unsere Trinkwasserversorgung muss öffentlich–rechtlich gesichert bleiben

Sebastian Schönauer, IKT Landesvorsitzender

Die Privatisierungseuphorie, die um das Jahr 2000 in Deutschland ausgebrochen war, scheint zumindest im Bereich der Trinkwasserversorgung gestoppt zu sein. Billiger sollte es für die Bürger werden! Doch die Versprechungen der Investoren erwiesen sich – wie auch von der IKT vorhergesagt – als leere Sprüche. Wo nicht bereits öffentliche  Aufgaben wieder zurück in die öffentliche Hand gegeben wurden, ist zumindest Ernüchterung eingetreten.

Französische Kommunen steigen aus der Privatisierung aus

In Frankreich, das die Privatisierung öffentlicher Dienste seit Mitte der 80er Jahre vorangetrieben hatte, beginnt in vielen Städten eine Phase der Re-Kommunalisierung. Zum Beginn des Jahres 2010 lief der Vertrag der Stadtverwaltung von Paris mit zwei Tochterunternehmen der Versorgungskonzerne Veolia Environnement und Suez- Lyonnaise des Eaux aus. In Frankreich, Heimat der mächtigsten Global Player im Wasserbereich, könnte damit das Ende  der langjährigen profitablen öffentlich- privaten Partnerschaft (PPP) zwischen Kommunen und Konzernen eingeläutet worden sein. Unmut hatten nicht nur steigende Preise geweckt. Nach Berechnungen des französischen Verbraucherverbands machten die Konzerne in Paris fast 30 Prozent Profit. Die Unternehmen werden von einer breiten Koalition von Stadträten, Verbrauchern und Gerichten wegen exzessiver Tarife und Einschränkung der Konkurrenz kritisiert.

Weitere Rekommunalisierungen könnten in den nächsten Jahren folgen, zum Beispiel in Marseille und in Lyon. Immer mehr Bürger kämpfen für eine Re- Kommunalisierung von kommunalem Eigentum. Die Wasserwirtschaft gehört wie die Abwasser­entsorgung in öffentliche Hand. Aus den negativen Erfahrungen mit Privatisierungen (Preiserhöhungen) heraus hat es in der letzten Zeit mehrere Beschlüsse zur Rekommunalisierung gegeben: Im Jahr 2010 in Heidelberg, Stuttgart, Paris. In 2011 sogar ein Volksbegehren in Italien gegen die Privatisierung der Wasserversorgung.

Auch deutsche Kommunen holen sich ihr Wasser zurück

Auch in Deutschland herrschte bei vielen BürgerInnen großer Unmut über stark gestiegene Wasserpreise nach der Privatisierung.  In Stuttgart oder in Berlin, wo die Stadt 1997 knapp die Hälfte der kommunalen Berliner Wasserbetriebe an die Versorger RWE und Veolia verkaufte und ihnen die Investition mit einer Renditegarantie schmackhaft machte, gibt es Bestrebungen, die privaten Unternehmen wieder loszuwerden. Das Negativbeispiel Nr. 1 sind die Berliner Wasserbetriebe. Dort musste erst in einem jahrelangen, im Parlament ergebnislosen, Kampf vom „Berliner Wassertisch“, einem Zusammenschluss von Verbrauchern und Bürgerinnen, ein Volksbegehren durchgesetzt werden, damit die von der eigenen Verwaltung unter Verschluss gehaltenen Geheimverträge des Berliner Senats mit den privaten Teileigentümern RWE und Veolia offengelegt werden mussten.

Was da heraus kam, könnte einem Mafiafilm entsprungen sein: Den „Investoren“ RWE und Veolia wurde bei Vertragsabschluss 1999 u.a. eine jährliche Mindestrendite garantiert, indem ihnen ein fester Zinssatz auf das betriebsnotwendige Kapital zugesichert wurde. Das Land muss bis zum Jahr 2028 diese Gewinnerwartungen erfüllen, selbst wenn es gegebenenfalls auf Teile des ihm zustehenden Gewinns verzichten muss. Auch die Kalkulation der Preise war undurchsichtig. Nach einem Gutachten des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen bezahlen die Berliner mit 5 Euro pro Kubikmeter gut 60 Prozent mehr als Kölner oder Münchener.

Das überwältigende Votum der Berliner Bürger zur Offenlegung aller Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe ist für die öffentliche Wasserversorgung Bestätigung und Ansporn zugleich, Transparenz bei der Aufgabenerfüllung und der Information der Gebührenzahler zu erreichen“, erklärte Christa Hecht, Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) zum Berliner Volksbegehren vom 13. Februar 2011.

Neue Stadtwerke entstehen wieder

Die IKT Bayern begrüßt die klare Absage der Berliner an die Privatisierung. Dies sollte den Privatisierungsgegnern  in kleineren Kommunen Mut machen in ihrem Kampf um die Erhaltung der Kommunalen Trinkwasserversorgung. Denn die kommunale Einflussnahme und Kontrolle, wie sie in der öffentlichen Wasserwirtschaft praktiziert wird, bietet die beste Gewähr für eine sichere und kostengünstige Versorgung unserer Bürger. Viele Kommunen in Bayern haben sich nach Beratung und mit Hilfe der IKT in Bayern schon vor über zehn Jahren der Privatisierungswelle entgegen gestellt. Viele Privatisierungslobbyisten sitzen immer noch in der jetzigen Bundesregierung und in der EU–Kommission.

Mut machen weiter positive Rekommunalisierungsbeispiele wie in Leipzig. Dort votierten die Bürger
Innen mit einer 87-Prozent-Mehrheit gegen die Teilprivatisierung ihrer Stadtwerke durch die französische Gaz de France. Solch spektakuläre Bürgerentscheide passen zu einer Entwicklung, die sich als Revitalisierung der Kommunalwirtschaft beschreiben lässt. Nicht selten werden privatisierte Betriebe etwa bei der Müllentsorgung oder bei der Wasserversorgung wieder in die Regie von Rathäusern und Landratsämtern übernommen. Stadtwerke werden neu gegründet, Gemeinden kaufen Strom- und Gasnetze zurück, zuweilen betreiben Stadtwerke im Verbund sogar Großkraftwerke, um Eon, RWE, Vattenfall und EnBW herauszufordern.

Rekommunalisierung als Chance für die Kommunen

Insbesondere in der Energieversorgung ist ein Trend zur Rekommunalisierung festzustellen. Bis 2015 laufen einige tausend Konzessionsverträge aus. Dies betrifft zwar vorwiegend die Energie­versorgung, an denen in vielen Kommunen auch Konzessionen zur Wasserversorgung dran hängen. Viele Kommunen gründen eigene Stadtwerke, um verstärkt Einfluss auf die Energie – Wende  nehmen zu können. Stephan Weil (SPD), Präsident des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), konstatierte einen „Trend zur Rekommunalisierung“.

Gemeinden, so der Hannoveraner Oberbürger­meister, würden sich zunehmend des Werts eigener Stadtwerke bewusst. So sah es auch Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds: „Die Bürger haben längst erkannt, dass Privatisierung kein Allheilmittel ist.“ Wie Landsberg lehnt Christian Ude als Präsident des Deutschen Städtetags zwar eine Veräußerung kommunalen Eigentums nicht generell ab. Doch der Münchner SPD-Oberbürgermeister sagt auch deutlich: „Ganz klar bin ich gegen die dämliche Parole Privat vor Staat.“. Für eine differenzierte Sichtweise je nach Branche und Situation vor Ort wirbt Peter Götz, Kommunalfachmann der Unions-Bundestags­fraktion: Aber auch er betont, dass Stadtwerke ein hohes Maß an Versorgungssicherheit garantieren.

Nachhaltige Wasserpolitik – staatliche Defizite

Was uns aber bedenklich stimmen muss, ist die Situation bei der Wasserqualität. Seit 1991 gibt es die Nitrat – Richtlinie der EU. 15 Jahre dauerte es, bis die deutsche Regierung 2006, aber erst unter Androhung von Konventionalstrafen von über ca. 40.000 Euro pro Tag durch die EU, diese RL in der deutschen Düngemittelverordnung umsetzte. Mehr schlecht als recht, denn die seit Jahrzehnten fortschreitende Überdüngung unserer Böden und die damit verbundene „diffuse“ Belastung des Trinkwassers mit dem giftigen Nitrat wurden nicht beseitigt. Die Nitratwerte steigen zum Teil sogar weiter, obwohl viele Kommunen in ihren Wasserschutzgebieten Kooperationsvereinbarungen mit den Landwirten trafen. Millionen Euro gingen so an die Landwirte für oft kaum bemerkbare Düngeeinschränkungen. Regelmäßig knicken Regierungen und Ministerien vor der Landwirtschaftslobby und den Bauernverbänden ein und verweigern den ähnlich wie auch beim Antibiotikaeinsatz bei der Massentierhaltung, den notwendigen flächen­deckenden Gewässerschutzes.

Die IKT Bayern fordert deshalb zum wiederholten Male, die Kommunen sollten über die oben erwähnten kommunalen Spitzenverbände politischen Druck auf die Regierungen in Berlin und Brüssel ausüben. Die Vergiftung unserer Böden und unserer Gewässer durch zu hohe Stickstoffeinträge, vor allem durch Kunstdünger und durch Pestizide, muss endlich unterbunden werden. Die Gülle aus der Massentierhaltung muss wegen ihrer zu hohen Mengen und ihrer die Gesundheit gefährdenden Inhaltsstoffe aus der Tiermast (Antibiotika etc.) endlich dem Abfallrecht unterworfen werden. Sonst sind auf Dauer unsere Trinkwasservorräte gefährdet

 

 

 

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