Untermerzbach, Lkrs. Hassberge (März 2003) – Abwassergebührenberechnungen nur nach dem Trinkwassermenge als Maßstab sind nicht mehr erlaubt. Eine Gemeinde muss in ihrer Gebührenordnung zwischen eingeleiteten Schmutzwassermengen und Niederschlagswassermengen von Versiegelungsflächen genau unterscheiden.
Die unterfränkische Kommune Untermerzbach im Landkreis Haßberge mit rund 1850 Einwohnern musste nach einem Gerichtsspruch des Bayerischen Oberverwaltungsgerichts durch den 23. Senat vom 31.03.03 in Ansbach ihre „veraltete Abwassergebühren-Satzung“ schleunigst ändern. Geklagt hatten Kreis- und Gemeinderat a.D. Ekkehart Koser aus Gereuth und Gemeinderat Ulrich Schulze aus Memmelsdorf gegen die Kanalbescheide vom Oktober 2000. Bisher rechnete die kleine fränkisch-bayerische Land-Gemeinde, wie noch die meisten im Lande, ihre Abwasserkosten nach dem üblichen und bequemen Modell um, dass wer viel Trinkwasser verbraucht, auch genauso viel Abwasser zu bezahlen hatte. Diese sehr einfache und bequeme, aber nach Auffassung der Kläger „primitive und nicht mehr zeit- und umweltgemäße Rechenmethode“ war von ihnen bereits vor drei Jahren am Ratstisch der Gemeinde Untermerzbach ohne Erfolg moniert worden, weil bei der Bemessung der Abwassergebühren die zunehmend ansteigenden Mengen des meist ebenfalls in den Mischkanal eingeleiteten Regen- bzw. Niederschlagswassers aus versiegelten Flächen keinerlei Berücksichtigung fand. Im Extremfall, so Kläger Ekkehart Koser, leitet ein örtlicher Gewerbebetrieb zwar z.B. auf Grund seiner riesigen versiegelten Park- und Hof-Flächen z.B. 3000 Kubikmeter Niederschlagswasser in die Kanalisation ein; da aber im Betrieb nur z.B. 150 Kubikmeter Trinkwasser verbraucht werden, werden von der Gemeinde auch nur 150 Kubikmeter Abwasser berechnet; die Abwasser-Differenz von 2850 Kubikmeter gehen daher, so Koser, auf Kosten derer, die viel Trinkwasser verbrauchen, z.B. der mehrköpfigen Familien vor Ort. Die Gemeinde hatte sich trotz mehrerer Kooperationsangebote der beiden Ratsherren bis zuletzt uneinsichtig gezeigt, so dass der Klageweg beschritten werden musste. Da das Verfahren von entscheidender überörtlicher Bedeutung war, hatte die Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung in Bayern – IKT- materielle und personelle Unterstützung angeboten.
Die Gemeinde Untermerzbach hatte ursprünglich vor dem Verwaltungsgericht Würzburg glaubhaft machen wollen, dass nur 1,15 Prozent der Gesamtabwasserkosten für die Niederschlagswasserbeseitigung aufgewendet würden; zwar besserte die Gemeindeverwaltung in zweiter Instanz schnell noch nach und stockte die Zahl auf 10,51 Prozent auf. Die Kläger jedoch überprüften zusammen mit Gunter Zepter , dem Geschäftsführer der IKT, die Unterlagen in der Kanzlei Untermerzbach und kamen auf deutlich andere Zahlen, die dem Berufungsgericht in Ansbach weitaus glaubhafter erschienen waren: So belegten sie in Modellrechnungen, dass der minimalste Kostenanteil für die Niederschlagswasserbeseitigung in der Gemeinde Untermerzbach bei 27,96 Prozent (Investitionsaufwand) , bzw. der maximalste sogar bei 39,82 Prozent (Ergebnisrechnung nach Abwasser-mengen) liegt.
In allen Fällen ist damit auch nach Ansicht des Bayerischen Senats die sogenannte „12 Prozent-Erheblichkeits-Hürde des Bundesverwaltungsgerichts“ erheblich überschritten. Offensichtlich zu krass war u.a. das Missverhältnis in Untermerzbach zwischen dem im Jahre 2000 bezogenen Frischwasser in Höhe von nur 87.214 m³ und dem aber im Klärwerk in Kaltenbrunn eingeleiteten Abwasseranfall von 285.510 m³. Gemeinderat Ulrich Schulze verdeutlichte dies noch an den proKopf-Zahlen: so lieferte die Gemeinde Untermerzbach pro Kopf 153,36 m³ Mischwasser in die Verbandskläranlage, die beiden anderen, um einiges größeren Mitgliedsgemeinden Großheirath und Itzgrund jedoch nur 84,26 m³ pro Kopf. Jedoch sind auch die Zahlen innerhalb der zahlreichen Ortsteile Untermerzbachs bemerkenswert: So liefert ein Einwohner aus den Ortsteilen Recheldorf, Hemmendorf u. Gleusdorf nur noch 35,49 m³ Abwasser in den Itzgrund, da hier nämlich bereits ein Abwasser-Trennsystem besteht, ein Einwohner aus dem Kernort, den OT Gereuth, Buch, Obermerzbach und Wüstenwelsberg dagegen liefert in der selben Zeit 205,40 m³ , also fast das sechsfache, an Ab- und Regenwasser im Klärwerk an, da hier noch eine veraltete Mischkanalentwasserung ohne Oberflächenwasserabschlag besteht.
Die nunmehr von der Gemeinde erstellte neue Satzung musste diesen Tatsachen Rechnung tragen: Auf den „kurzen Nenner gebracht“, so IKT-Vorstand mitglied Ekkehart Koser, bedeutete dies, dass in Zukunft derjenige einiges an Abwassergebühren spare, der ökologisch handle und sein Regen- oder Hofwasser selbst auf dem eigenen Grundstück versickere oder in Gräben und Bäche ableite und damit das Grundwasser wieder anreichere und eben nicht, wie früher sogar von der Gemeinde ausdrücklich verlangt, in den gemeindlichen Mischwasser-Kanal mehr einleite und damit unnötigerweise kostenträchtig nach Kaltenbrunn ins Klärwerk leite.
Das Urteil hatte nach IKT-Geschäftsführer Gunter Zepter aus Merkendorf bayernweiten Modellcharakter. Erstmals war hiermit bei einer Landgemeinde in Bayern obergerichtlich festgestellt worden, dass auch auf dem flachen Land in Bayern die Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung weit über der 12 Prozent-Erheblichkeits-Hürde des Bundesverwaltungsgerichts liege und damit seien sämtliche kommunalen Satzungen, die bisher nur nach dem Trinkwasserverbrauch das Abwasser abrechneten zu kippen – wenn Bürger einer Kommune dagegen vorgingen. Die IKT empfiehlt daher allen Bürgerinnen und Bürgern deswegen unter Bezugnahme auf das o.g. Urteil Nr. 23 B 02.1937 W 2K 01.997 des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Ansbach umgehend Einspruch gegen ihre Abwasserbescheide einzulegen. Dass dies zunehmend erfolgreich sei, zeige das erstrittene Urteil und es hätten inzwischen bundesweit auch eine Vielzahl von Untersuchungen bewiesen, wonach „keine deutsche Kommune die 12 %-Geringfügigkeitsgrenze ernsthaft einhalten könne“, denn der durchschnittliche Kostenanteil für die Niederschlagswasserbeseitigung liege allgemein bei mindestens 29 Prozent, wie Dr.-Ing. Rolf Pecher, Beratender Ingenieur für Siedlungswasserwirtschaft aus Erkrath den Klägern im Vorfeld bestätigt hatte. Auch die häufig von Bürgermeistern und Gemeindeverwaltungen vorgebrachten Bedenken, dass die Einführung einer „gesplitteten Abwassergebühr“ mit einem enormen Aufwand verbunden sei, war vom Senat in Ansbach nicht akzeptiert worden, im Gegenteil hatte er „keinen unverhältnismäßigen Aufwand zur Einführung einer solchen Gebühr“ erkannt.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte auch die Beschwerde der Gemeinde Untermerzbach wegen Nichtzulassung der Revision im jüngst von ihr verlorenen sogenannten „Abwasser-Gebühren-Splitting-Urteil “ des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof kostenpflichtig zurückgewiesen. (August 2003)