Seit Januar 2019 Umsetzung der EU-Richtlinie 2015/ 1787 in nationales Recht: Erleichterung für kleine Wasserversorger? Oder neue Schikane?
Verein für sauberes Wasser e.V. klagt gegen den Freistaat Bayern
Seit Jahrzehnten soll die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) bundesweit die Qualität unseres Trinkwassers sichern, welches von öffentlichen oder privaten Versorgern zur Verfügung gestellt wird. In dieser Verordnung ist genauestens festgelegt, welche Stoffe wie oft untersucht werden müssen. Die EU Richtlinie hatte aber auch das Anliegen, die Probenentnahmen flexibler und kostengünstiger zu gestalten, da für viele Parameter, z.B. geologisch bedingte, die wiederholte Beprobung nichts Neues bringt und andere für ein bestimmtes Wasserschutzgebiet keine Bedeutung haben. Vor diese Erleichterung ist aber die RAP geschaltet, die „risikobewertungsbasierte Anpassung der Probennahme Planung“, die aber einen hohen Aufwand bedeutet. Und bei der Wasserversorgung des Ortsteils Riesen zeigt sich, dass die Befreiung von Parametern auf der Basis der RAP von manchen Wasserwirtschaftsämtern und Gesundheitsämtern nicht erwünscht ist und deshalb mit bürokratischem Eifer versucht wird, diese zu verhindern.
Seit 1991 betreibt der gemeinnützige Verein für sauberes Wasser e.V. die Trinkwasserversorgung des Ortsteiles Riesen der Gemeinde Steingaden in Oberbayern und sorgt dafür, dass die etwa 100 Bewohner ihr eigenes einwandfreies Wasser genießen können. Es wurden hydrogeologische Gutachten erstellt und in der Folge ein 16 ha großes Wasserschutzgebiet ausgewiesen. Der Vorsitzende Jott Keller betont, dass das Wasser stets regelgerecht untersucht wird. Aber jetzt steht der Verein wieder vor einer teuren Hürde:
( Berichte in Funk und Fernsehen:
Dazu der Kommentar von Jott Keller vom Verein für sauberes Wasser e.V.: www.unser-sauberes-wasser.de
Es sollte eigentlich keine Überraschung mehr sein, dass es nicht unbedingt einfacher wird, wenn EU-Richtlinien in der BRD in nationales Recht umgesetzt werden, zumindest wenn die TrinkwV betroffen ist. Was die Verfasser jedoch hier vorgelegt haben, lässt keinerlei Wünsche mehr offen, was etwaige Anforderungen an Kompliziertheit betrifft. Von Entbürokratisierung kann ohnehin keine Rede mehr sein. Damit kehrt Deutschland den Sinn der EU-Richtlinie ins Gegenteil um, denn diese sollte Flexibilisierung und Kosteneinsparung zur Folge haben. Ein Blick in die ursprüngliche EU-Richtlinie beweist das.
Zwei Arten von Untersuchungen
Seit Jahrzehnten soll die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) bundesweit die Qualität unseres Trinkwassers sichern. In dieser Verordnung ist genauestens festgelegt, welche Stoffe wie oft untersucht werden müssen. Dies geschieht auf Basis zweier verschiedener Untersuchungsarten:
Einer routinemäßigen Untersuchung „Parameter der Gruppe A“ (für öffentliche Wasserversorgungen ab 1000 cbm Jahresverbrauch je Quartal), bei der das Wasser auf Keime untersucht wird. Die bisher damit vorgeschriebene Untersuchung auf Ammonium entfällt und wurde durch die Untersuchung auf Enterokokken ersetzt.
Einer umfassenden Untersuchung „Parameter der Gruppe B“, bei der die in den Anlagen der Trinkwasserverordnung gelisteten physikalisch/chemischen Parameter auf ihre Grenzwerteinhaltung überprüft werden. Seit 2018 können die Gesundheitsämter die Untersuchung weiterer, nicht gelisteter Schadstoffe verlangen, wenn das Risiko einer Gesundheitsgefährdung nachgewiesen ist.
Hohe Untersuchungskosten und klingende Kassen
Kleine Wasserversorgungsanlagen blieben früher von den teuren umfassenden Untersuchungen, die jedes Mal bis zu 1.000 € kosten können, weitgehend ausgenommen. Dieses bewährte Verfahren scheint sich jedoch seit 2013 geändert zu haben. Viele deutsche Gesundheitsämter, ebenso das im Landkreis Weilheim-Schongau, fingen zu Beginn des Jahres 2013 damit an, auch von privaten und kleinen öffentlichen Wasserversorgungen und völlig ungeachtet der jeweilig örtlichen Gegebenheiten, diese umfassende Untersuchung in dreijährigen Zyklen zu verlangen. Danach hätte jeder im Grünen gelegene Bauernhof mit einem eigenen Brunnen sein Trinkwasser aufwändig und wiederholt zu untersuchen, zum Beispiel auf Schadstoffe industrieller Abwässer, die in vielen Regionen gar nicht vorkommen können.
Bereits seit Jahrzehnten wurden und werden bundesweit, ohne Überprüfung der jeweiligen Relevanz vor Ort, Schadstoffe untersucht, die allein der Wertschöpfung der Labore und des Staates dienen und keinerlei echte Gesundheitsvorsorge darstellen. Die auf drei Jahre verkürzten Intervalle für die umfassenden, wesentlich teureren Untersuchungen der Gruppe B bescherten zu Lasten von vielen Bürgern und Kommunen wenigen Profiteuren ein wahrlich glänzendes Geschäft.
Bayerischer Verein wehrt sich gegen Missbrauch
Unser „Verein für sauberes Wasser e.V.“, zuständig für die Trinkwasserversorgung des Ortsteiles Riesen, erhielt 2013 mehrfach eine solche Aufforderung – mit Zwangsgeldandrohung von bis zu 1.000 € (Zwangsgeld ist keine Strafe) für jeden nicht untersuchten Stoff. Wir weigerten uns und stellten den Sinn dieser überzogenen Probenentnahmen grundsätzlich in Zweifel.
Erfolgreiche Vereinbarung im Herbst 2014
Mit fachlicher Unterstützung eines unabhängigen Sachverständigen und im Beisein einer Vertreterin des Gesundheitsamtes wurde dann im Herbst 2014 auf Kosten des Vereins jeder der zu untersuchenden Stoffe aus der TrinkwV auf seine Relevanz für die Wasserversorgung Riesen überprüft. Das Ergebnis: Weit mehr als 80 Prozent der in den Anlagen der TrinkwV gelisteten Stoffe der Gruppe B haben für die Versorgung des Ortes Riesen keinerlei gesundheitlichen Vorsorgenutzen und brauchten in den Folgejahren nicht mehr untersucht zu werden. Zum Beispiel ist eine Untersuchung auf Pflanzenschutzmittel verzichtbar, wenn seit Jahrzehnten im ausschließlich von Mitgliedern des VfsW genutzten Wassereinzugsbereich keinerlei Pflanzenschutzmittel ausgebracht worden sind und dies durch mehrmalige Probenahmen immer wieder nachgewiesen worden ist. Auf Wunsch kann das Parameter-Protokoll per E-Mail angefordert werden. Es kann aber lediglich als Anhaltspunkt dienen und darf auf keinen Fall 1:1 übernommen werden, weil es nur für die Riesender Quellsituation gültig und anwendbar ist.
Die neue EU-Richtlinie von 2015 und ihre Umsetzung in deutsches Recht
Die jüngste, vierte Änderung der TrinkwV nach Vorgabe der EU-Richtlinie 2015/1787, die bis Ende Oktober 2017 in nationales Recht umgesetzt sein sollte, wurde nun am 03. Januar 2018 veröffentlicht. Der Inhalt dieser Richtlinie hinterlässt allerdings einen zwiespältigen Eindruck: Auf der einen Seite wird eine weitgehende Flexibilisierung der Überwachungsparameter und der Probennahme-Häufigkeit angestrebt und sogar vorgeschrieben, Zitat: „Bei der Wahl der geeigneten Parameter für die Überwachung müssen die lokalen Gegebenheiten für jedes Wasserverteilungssystem berücksichtigt werden.“ (Vgl. EU-Richtlinie 2015/1787, Anhang II, Überwachung, Teil B, Parameter und Häufigkeiten, 1. Allgemeiner Rahmen). Auf der anderen Seite wird diese Möglichkeit der Verringerung der Parameter in Bezug auf die örtliche Relevanz durch aufwendige Prüfungsverfahren wieder zunichte gemacht. Seit Januar 2018 gibt es nun entsprechend einen vom Umweltbundesamt herausgegebenen, 11-seitigen Leitfaden „Leitlinien für die risikobewertungsbasierte Anpassung der Probennahmeplanung für eine Trinkwasserversorgungsanlage (RAP) nach § 14 Absatz 2a bis 2c Trinkwasserverordnung“, der sich, wie schon am Titel unschwer zu erkennen ist, als nicht ganz einfache Maßnahme erweist. Die bisherige Praxis der nicht auf ihre Notwenigkeit hin kontrollierten Pauschaluntersuchungen, die seit Jahrzehnten vor allem der Wertschöpfung des Staates und der zuständigen Labore gedient hat, kann zwar jetzt von jedem Wasserversorgungsunternehmer auf ihre örtliche Relevanz hin überprüft werden, allerdings ist der technische und finanzielle Aufwand dafür derart groß, dass die meisten Versorger vermutlich abwägen werden, welches Vorgehen am Ende für sie günstiger ist.
Denn um diese Risikoanalyse und -bewertung jeweils vornehmen zu können, bräuchte es qualifiziertes Personal (z.B. Hydrogeologen, Lebensmittelchemiker), welches vermutlich in den Gesundheitsämtern nicht zu finden sein wird. Und eine Leitlinie ist zudem weit davon entfernt, ein Gesetz zu sein, was im Übrigen auch für die TrinkwasserVerordnung selbst gilt.
Die Riesener RAP wird nicht anerkannt
Unser Verein für sauberes Wasser e.V. nahm die Herausforderung an. Wir führten im November 2018 eine große Beprobung durch und legten dem Gesundheitsamt eine Risikobewertung vor. Es zeigte sich, dass alle Einzelwerte der physikalisch-chemischen Stoffe wieder den umfassenden Untersuchungen von 2007 und 2008 entsprachen und voll die Anforderungen der Trinkwasserversorgung erfüllen. Aber das Wasserwirtschaftsamt erkannte diese Risikobewertung nicht an. Das Gesundheitsamt verlangt wegen einer vorgegebenen „Siebenjahresfrist“ noch einmal das gesamte Untersuchungsprogramm. Die Untersuchungen von 2007/2008, 2014 und 2018, die praktisch immer das gleiche völlig unauffällige Ergebnis zeigten, reichen dem Gesundheitsamt nicht. Dazu fordert das Gesundheitsamt eine kontinuierliche Trübungsmessung, um auszuschließen, dass Oberflächenwasser einen Einfluss auf die Riesener Wasserversorgung hat – eine ständig wiederholte Befürchtung, die durch sämtliche Analysen aus Jahrzehnten immer wieder widerlegt wurde. Eine solche dreimonatige Trübungsmessung würde rund 5000 € kosten.
Wir wehren uns: VfsW verklagt Freistaat Bayern
Das Landratsamt Weilheim-Schongau hat im Januar 2019 eine Anordnung gegen den Verein für sauberes Wasser e.V. (VfsW) als Wasserversorger erlassen, um die Trinkwasserverordnung in der starren Auslegung des Amtes ohne jegliche Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten zu erzwingen. Dazu kommen weit darüber hinausreichende Maßnahmen. Einer echten Gesundheitsvorsorge wird damit ein Bärendienst erwiesen.
Dem VfsW drohen – völlig überflüssigerweise – Gesamtkosten in Höhe von über 10.000 €, die die Versorgung von circa 100 Bürgern und 500 Tieren gefährden. Dagegen hat nun der Verein mit Hilfe einer renommierten Anwaltskanzlei beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage eingereicht. Leider hat das Landratsamt keine andere Möglichkeit zugelassen als dieses aufwändige Verfahren.
Von der rigiden Anwendung der seit dem 3. Januar 2019 in der 16. Novellierung gültigen Trinkwasserverordnung sind vor allem Eigentümer privater Brunnen und kleinere Wasserwerke mit einem Tagesverbrauch von weniger als 10 m³ oder zwischen 10 und 1.000 m³ betroffen. Manche Versorger wissen sicher noch gar nicht, was da auf sie zukommt, beispielsweise die sehr teure Untersuchung der physikalisch-chemischen Stoffe im dreijährigen Turnus ohne den geringsten Nachweis der tatsächlichen Notwendigkeit.
Alle Betreiber privater Brunnen oder kleinerer dezentraler Trinkwasserversorgungen sind hiermit aufgerufen, sich beim VfsW oder bei der IKT zu melden, um dann Wege zu überlegen, wie man sich gegebenenfalls gegen diesen sinnlosen und teuren Behördenaktionismus zur Wehr setzen könnte. Gerne können sich auch Betroffene melden, die zunächst nur ein Gespräch oder eine Beratung wünschen.
Der VfsW ist gemeinnützig anerkannt. Sein Vorstand ist ehrenamtlich tätig. Dem VfsW ist jede Form der Unterstützung gerne auch von Bürgern, die nicht direkt betroffen sind, willkommen, auch Spenden (gerne gegen Spendenquittung) sind jederzeit möglich.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Vereins:
www.unser-sauberes-wasser.de
Schreiben Sie uns eine E-mail oder rufen Sie einfach an: Telefonnummer 08862 – 93023.
Verein für sauberes Wasser e.V.
c/o Bernhard Jott Keller
86989 Riesen 9
Fon: +49(0)8862-93023
Fax auf Anfrage
www.unser-sauberes-wasser.de
mehr dazu:
https://www.unser-sauberes-wasser.de/presse