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Unser Abwasser ist Wertstoff

Publiziert am: 2. August 2017 von IKT-Admin

Wir brauchen einen nachhaltigen Umgang mit dem häuslichen Abwasser

Die Humustoilette ist ein Statussymbol.
Wir haben das Privileg, Zeuge zu sein, wie sich mit Hilfe unserer Weisheit unser eigener Abfall, unsere eigene Scheiße in Humus umwandelt, so wie der Baum wächst und die Ernte reift. Bei uns zu Hause, als wärs unser eigenes Kind.“

Dies sind Worte aus dem Manifest „Scheißkultur-Die heilige Scheiße“ von Friedensreich Hundertwasser aus dem Jahr 1979. Weise Worte, die vor nunmehr fast 40 Jahren gesprochen wurden.
Und wo stehen wir heute, im Jahr 2017?

Immer noch werden täglich im Durchschnitt 42 Liter Wasser pro Person – meist Trinkwasser – via Toilettenspülung in die Kläranlage geleitet.

Das sind 15.330 Liter im Jahr.

Urin und Kot enthalten Stickstoff und Phosphor; wertvolle Stoffe, die die Pflanzen für ihr Wachstum brauchen. Diese Stoffe müssen dem Nahrungskreislauf wieder zugeführt werden. Derzeit bringen die Landwirte sie u. a. in Form von Kunstdünger auf die Felder. In Deutschland gibt es keine Phosphorvorkommen, weshalb werden jährlich ca. 139.000 t Phosphor für die Düngemittelindustrie importiert. Da in absehbarer Zeit die weltweiten Phosphorvorräte zur Neige gehen werden, hat der Gesetzgeber in der aktuellen Novelle der Klärschlammverordnung erstmals die Rückgewinnung von Phosphor bei Kläranlagen ab einer Größe von 50.000 Einwohnerwerten gesetzlich vorgeschrieben.

Ca. 70% der Phosphatverbindungen im Abwasser kommen aus den menschlichen Ausscheidungen. Urin liefert ca. 81 % des Stickstoffanteils einer kommunalen Kläranlage.

Im Wasser von Bächen, Flüssen und Seen bereiten diese Nährstoffe Probleme, weshalb sie mit hohem technischem und energetischem Aufwand in der Kläranlage aus dem Abwasser entfernt werden müssen.

Die Frage, die sich hier aufdrängt ist, ob es wirklich sinnvoll ist,  zuerst Urin und Kot mit großen Mengen Wasser in die Kläranlage zu schwemmen, mit hohem technischen und energetischem Aufwand zu behandelt, um dann – und auch nur bei großen Kläranlagen – aus der stark verdünnten Brühe die Wertstoffe wieder rauszuholen.
Klüger, weil ökologischer und kostengünstiger, wäre es, die Wertstoffe, die in Urin und Kot enthalten sind, dort zu „heben“, wo sie anfallen, Stoffkreisläufe auf kurzem Weg zu schließen.

Die DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall), hat sich mit dieser Frage beschäftigt und stellt fest, dass das zentrale System zunehmen an seine Grenzen stößt: „In Deutschland sind zwar dessen ursprüngliche Ziele weitgehend erreicht, also die Sicherstellung eines hohen Hygienestandards sowie Vermeidung von Überschwemmungen; das eingesetzte System ist jedoch unflexibel und hat eine geringe Ressourceneffizienz bei relativ hohen Investitions- und Betriebskosten.“ (DWA 2010; „Brauchen wir in Deutschland neuartige Sanitärsysteme?“)

Die Zeit ist reif, sich von einem unflexiblen, verschwenderischen und teuren System zu verabschieden!

Wir brauchen eine nachhaltige Abwasserbehandlung: unterschiedliches Abwasser muss unterschiedlich behandelt werden.  Ziel muss es sein, wertvolle, wieder verwertbare Inhaltsstoffe, wie sie vor allem in Urin und Kot enthalten sind, unter Einhaltung der hygienischen Anforderungen auf kurzem Wege wieder in den Nährstoffkreislauf zurückzuführen.
Die in warmem Abwasser enthaltene Wärmeenergie, sollte ebenfalls zurückgewonnen werden.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat in den Jahren 2013 bis 2016 eine Fördermaßnahme zum Thema „Intelligente und multifunktionelle Infrastruktursysteme für eine zukunftsfähige Wasserversorgung und Abwasserentsorgung“ (INIS) mit einem Fördervolumen von rund 33 Mio. Euro aufgelegt.
Die Forschungsergebnisse der sehr unterschiedlichen Pilotprojekte lassen erkennen, dass die Zukunft der Wasserver- und Abwasserentsorgung in vielfältigen,  sehr differenzierte Lösungen liegt. (Ergebnisse des Projektes INIS unter: https://nawam-inis.de/sites/default/files/dokumente/publikationen/2016-nawam-inis-ergebnisse.pdf )

Im dünn besiedelten ländlichen Raum sind andere Systeme notwendig, als in städtischen Quartieren mit dichter Bebauung.

Die IKT stellt sich der Herausforderung,  die Entwicklung von nachhaltigen Lösungen für die Abwasserbehandlung im ländlichen Raum voran zu bringen. Einige unserer Mitglieder verfügen über langjährige praktische Erfahrungen mit der Nutzung von Komposttrenntoiletten.
Derzeit stößt die Verwendung unseres Kots und unseres Urins als Wertstoff in weiten Teilen der Bevölkerung noch auf große Skepsis. Ein Wandel der Kultur des Umgangs mit unseren Wertstoffen ist dringend notwendig. Die IKT möchte einen Beitrag zur Verbreitung dieses Wissens leisten und sich an der Umsetzung von kostengünstigen technischen Lösungen beteiligen.

Das Ziel ist es, ein Projekt zu begleiten, bei dem Urin und Kot vom Grauwasser getrennt abgeleitet und einer Verwertung zugeführt werden.
Außerdem möchten wir in Erfahrung bringen, wo die Verwertung von Urin und Kot durch unpassende rechtliche Rahmen behindert wird, um im Bereich der Gesetzgebung gezielte Vorschläge für die Ermöglichung ökologischer, kostengünstiger Lösungen ausarbeiten zu können.

Wir sind interessiert am Austausch mit Forschern, Bauherren und Praktikern, die Projekte im Bereich ökologischer Abwasserbehandlung im ländlichen Raum durchgeführt haben. Wir wollen die Vernetzung von Menschen, die sich mit diesem Thema beschäftigen fördern. Nehmen Sie Kontakt mit der IKT auf!

Ansprechpartner für unser Projekt „Nachhaltige Abwasserbehandlung“ ist unser Mitglied Jano Soós-Schupfner;
E-mail: info@baumhaus-bayern.de
Auch interessierte Bauherren möchten wir ermuntern, sich bei uns zu melden.
Wir teilen unser Wissen gerne und vermitteln ggf.  Kontakte zu entsprechenden Fachleuten.

Hier finden Sie eine vorläufige Infomappe zu diesen Themen (.doc oder .pdf):
Infomappe ökosan-doc-3-8-2017

Infomappe ökosan-pdf-3-8- 2017

Graphik: Dr. Haiko Pieplow, Ithaka-Institut Berlin; http://www.ithaka-institut.org/de/home