„Nitrat und kein Ende“: Auf der IKT-Mitgliederversammlung berichtete der Landesvorsitzende Schönauer über die fehlende Düngemittelverordnung. Neuwahlen bestätigten den Vorstand. Vor dem teuren Anschuss kleiner Ortsteile in Leutershausen an die zentrale Kläranlage wurde gewarnt. Zuviel Fremdwasser in Nordhalben –überdimensionierte RÜBs sind keine Lösung. Übertriebene Anforderungen an Hausbrunnen. Wie fördert man die Grundwasserneubildung? Grundgebühren versus Verbrauchsgebühren. Bericht von AÖW. IKT als Beispiel für soziale Innovationen.
Bericht über die IKT-Mitgliederversammlung am 4.12.2015 in 91746 Weidenbach
Landesvorsitzender Schönauer berichtete über Vorträge und Diskussionen in nationalen Gremien zur Nitratproblematik „NO³ und kein Ende!“ Seit der Nitratgrenzwert 1980 auf 50mg pro Liter gesenkt wurde und 1991 die EU–Nitratrichtlinie zur Nitratminderung erlassen wurde, ist in Deutschland kaum etwas geschehen. Momentan droht mit einem Vertragsverletzungsverfahren von der EU eine Strafe von 350 000 €/Tag. Neben der Düngeverordnung fehlt auch die Jauche-Gülle-Silage-Verordnung (AWSV), obwohl es viele Unfälle, auch mit Bio-Gasanlagen, gibt, die zu gefährlichen Gewässer- und Grundwasserverschmutzungen führen. Der Bundes-Landwirtschaftsminister räumt der Agrarlobby quasi ein Vetorecht ein. Bei der Begünstigung der großen Massentierhalter und der Agrarlobby kann man schon die Gefahr der Korruption von Behörden und Politik sehen.
Laufend berieten Schönauer und andere Vorstandsmitglieder Bürgerinitiativen bei Trinkwasser und Abwasser, dazu die folgenden Berichte.
Bei der Neuwahl wurde der bisherige Vorstand weitgehend bestätigt. Während Renate Götzenberger die Schriftführung übernimmt, steht Alfred Patzak weiter als Beisitzer zur Verfügung. Schönauer dankte dem ausgeschiedenen langjährigen Vorstandsmitglied Karl-Heinz Claassen.
Neuer Vorstand:
Landesvorsitzender: Sebastian Schönauer
stellvertretende Vorsitzende:
Helmut Weiß, Landrat Neustadt/Aisch und Gunter Zepter, Ing. grad. agr.
Geschäftsführer: Hermann Hugel
Kassiererin: Brigitte Muth-von Hinten
Schriftführerin: Renate Götzenberger
Beisitzer: Waldemar Brohm, Gerhard Graf von Bernstorff, Marion Geyer, Roland Hahn, Dr. Otto Heimbucher, Peter Müller, Alfred Patzak, Jano Soos-Schupfner,
Nach Bestätigung durch die MV ehrte der Landesvorsitzende Schönauer langjährige Vorstandsmitglieder mit der goldenen Ehrennadel der IKT: den stellvertretenden Vorsitzendenr und langjährigen Geschäftsführer Gunter Zepter, der für seine gründliche Beratung bei vielen Initiativen bekannt ist, und die Schatzmeisterin Brigitte Muth-von Hinten, die sich auch mit der Mitgliederbetreuung und der Homepage befasst.
Intensiv diskutierte die Versammlung die folgenden Problemfälle.
Abwasser Leutershausen (Götzenberger)
Geplant war, dass 3 Gemeinden eine zentrale Kläranlage bauen. Die angeschlossene Färberei plant einen Pufferspeicher und Extrakanal für ihre Abwässer und sprach sich gegen die teure Zentralkläranlage aus. Diese große Lösung scheint mit einem Gemeinderatsbeschluss vom Tisch zu sein.
Aber Gefahr besteht für 2 weitere Ortsteile. Die Planungen für rund 5 102 000 € für den Anschluss von derzeit 262 Einwohner an die Gemeindkläranlage würden rund 19 500 € Kosten je angeschlossenem Einwohner bedeuten. Zuschüsse winken, aber es blieben über 5 Millionen €. Und in der stark verschuldeten Gemeinde kämen sicher Ergänzungsbeiträge auf die Hausbesitzer zu. Vielleicht auch ein Grund für die Landflucht?
Im Detail:
Kleinkläranlagen wie Pflanzenkläranlagen oder Schönungsteiche wären kostengünstige Alternativen. So kann man etwa für 12 000€, bei Eigenarbeit schon für 6000 € eine Pflanzenkläranlage erstellen. Die Vorstandsmitglieder Heimbucher, Zepter und Patzak wollen darüber informieren.
Abwasser-Situation Nordhalben (Dr. Heimbucher / Schönauer)
Nordhalben leitet in eine gemeinsame Kläranlage ein und hat große Probleme mit Fremdwasser. Aber die Forderungen der Behörden gehen in eine falsche Richtung.
Vom Landratsamt wird ein Regenüberlaufbecken (RÜB) gefordert. Es heißt, Versickerung wäre nicht möglich, man zwingt zur Einleitung von Regenwasser, Quellen und Drainagen werden eingeleitet; Kanäle liegen im Überschwemmungsbereich, dadurch kommt es zu bis zu 80% Fremdwasser. Die starke Verdünnung beeinträchtigt die Reinigungsleistung. Es wird ein RÜB von 1000 m³ € gefordert, das 8 Mio. € kosten würde. Bürgermeister Pöhnlein (Protestwahl mit IKT + Wasserliste Noha!) steuert dagegen: IKT + Büro Heimbucher beraten seit Jahren alternativ: Benötigt werden nur 150 m³ RÜB. Erforderliche und begonnene Maßnahmen: Kontrolle der Kanäle: Abdichten der Kanäle; Bäche, Quellen, Drainagen raus; Gebührensplitting zur Förderung der Versickerung; Straßen über Wiesen entwässern.
Die Kommunalwahl 2014 ist Beispiel für einen gelungenen Emanzipationsprozess: Ehemaliger Bürgermeister (CSU) nur noch 17%, SPD 30%, Noha-Kandidat M. Pöhnlein wurde mit 53% 1. Bürgermeister und hat mit der von Sebastian Schönauer und Otto Heimbucher jahrelang intensiv unterstützten „Wasser“- Liste Noha die Mehrheit im Gemeinderat.
Übertriebene Anforderungen an Hausbrunnen (G- Zepter)
Gesundheitsämter sind weder fachlich noch personell für die mit der Trinkwasserverordnung 2001 übertragenen Aufgaben ausgestattet worden. Die Folge: fehlende oder falsche Beratung, überzogenen Auflagen, falsche und völlig überzogene Aussagen zu Sanierungsmöglichkeiten und –kosten bei Überschreitungen von Grenzwerten, keine Ausnutzung von Ermessensspielräumen. Letzteres gilt insbesondere, wenn Dritte versorgt werden (gewerbliche Vermietung). Hier löst die Einstufung als „dezentrale kleine Wasserwerke“, (nach der Trinkwasserverordnung § 3, Absatz 2, Punkt b für Trinkwasserversorgungen von weniger als 10 m³, obgleich nur in Klammern stehend) bei Behördenvertretern offensichtlich einen Alarm aus, der dann zu kostenintensiven Vorgaben hinsichtlich der Überwachung führt.
Beispiel 1: Merkendorf – OT Triesdorf Bahnhof – Für Studentenwohnheim mit 36 Wohneinheiten (Einzelappartements mit jeweils 21,5 m² Wohnfläche) wird monatlich eine Qualitätsüberwachung durch Proben, Zählerablese und die Messung des Wasserstandes gefordert. Die Trinkwasserverordnung sieht dagegen nur einmal jährlich vor. Die übrigen Auflagen sind mit Hinweis auf die Eigenüberwachungsverordnung auf Grund des WWA Gutachtens in den Bescheid des Landratsamtes eingeflossen, obwohl die genehmigte Entnahmemenge unterhalb der Gültigkeitsgrenze (kleiner 5000m³) dieser Verordnung liegt.
Beispiel 2: Margetshöchheim: Der Hausbrunnen eines kleinen landwirtschaftlichen Anwesens mit einigen Plätzen für Pensionspferde wird als „kleines dezentrales Wasserwerk“ eingestuft. Der Grund: Ein Handwaschbecken, an dem sich die Besitzer der Pensionspferde nach dem Ausritt die Hände waschen können! Die Folge: von der Gesundheitsbehörde wurde eine umfangreiche und entsprechend kostenintensive Untersuchung gefordert. Der Kompromissvorschlag, ein Schild mit der Aufschrift „Kein Trinkwasser“ anzubringen, wurde abgelehnt. Es erging die Aufforderung an die Versammlung weitere Beispiele für „Behördenwillkür“ zu sammeln.
Diskussion Grundgebühr / Verbrauchsgebühr
Hahn berichtete von der Trinkwasserversorgung Mömbris mit 35 000 m3 im Jahr, 24 € Grundgebühr, 2 €/ m3. Wegen erhöhter Ausgaben wollten sie Grundgebühr erhöhen auf 48 €/Jahr, 7000€ mehr pro Jahr. Das wurde als sozial ungerecht empfunden. Jetzt wurde Verbrauchspreis um 0,50 € erhöht, gereicht hätten 0,16 €.
Dazu heißt es im Gesetz: „Zur Deckung kann ein Grundbetrag erhoben werden…“, aber auch „.sparsamen Verbrauch anregen“. Ein Grundpreis ist wichtig, damit jeder einen Beitrag zur festen Infrastruktur leistet, die aus Leitungen, Pumpen, Hochbehältern, etc., besteht. Andererseits lohnt sich bei hohem Grundpreis und niedrigem Verbrauchspreis das Wassersparen nicht, auch führt es zu sozialen Härten bei Geringverbrauchern. Daher sprach sich Schönauer gegen eine Flatrate beim Wasserpreis aus, denn das führt zu Wasserverschwendung.
Frau Hecht von der AÖW merkte an, dass sich der Grundpreis deutschlandweit zwischen 10 € und 100 € bewegt, mit Tendenz zu 65 €, also höher als die IKT empfiehlt.
Zepter merkte an, dass beim Strom günstige Gruppen-Tarife für Gemeinden das Interesse am Energiesparen beim Pumpen von Abwasser untergräbt. Und außerdem steigt der Strompreis für normale Verbraucher.
Förderung der Grundwasser-Neubildung (Patzak)
Im ariden Klima in Mittel-und Unterfranken und hohem Wasserverbrauch durch Bewässerung in der Landwirtschaft (Kürnach, Gärtnerei in Diespeck-Ehe) sieht Patzak eine Gefahr für das Grundwasser. Er fordert Grauwasser aus Dusche/Küche zur Bewässerung und Versickerung zu nutzen. Während Dr. Heimbucher die Versickerung von Regenwasser für problemlos und wünschenswert hält, betonte er das phosphat-belastetes Wasser nur über den belebten Oberboden versickert werden sollte, wo Bakterien die Belastung abbauen. Bereits bei relativ flachen Gruben erfolgt keine biologische Umsetzung mehr.
Wenn Fremdwasser, also in Kanäle eingedrungenes Grundwasser, in zentrale Kläranlagen gepumpt wird, geht vor Ort ebenfalls Grundwasser verloren.
Patzak warnte auch vor dem geplanten „Kernwege“-Ausbau: Es sollen in Mittelfranken780 km Feldwege breiter und belastbarer ausgebaut werden für rund 500 000 €/ km. Neben dem Eingriff in die Landschaft und Problemen in Wasserschutzgebieten bedeuten die hohen Kosten, die zur Hälfte umgelegt werden sollen, eine Gefährdung der kleineren Bauern.
IKT-Mitglied Christa Hecht ist Geschäftsführerin der AÖW, der Allianz öffentlicher Wasserversorger, in der sich vor allem große Versorger europaweit für den Erhalt öffentlich-rechtlicher Strukturen bei Trinkwasserversorgung und Abwasserversorgung einsetzen. Doch auch hier erfolgt ein gewisses Umdenken zu mehr Dezentralität. In Thüringen und Dresden untersucht man Neue Abwasser-Systeme (NAS), wobei es sich auch um Kleinkläranlagen handelt. Durch den demografischen Wandel ist auf dem Land manches nicht mehr zu bezahlen. Andererseits wird in großen Städten eine 4. Reinigungsstufe diskutiert. Dabei geht es um Phosphat-Ausfällung und um die Rückstände von Medikamenten.
Ralf Ziegler von der Universität Greifswald berichtete vom Forschungsprojekt zu „Sozialen Innovationen“
Nach der Bankenkrise 2008/9 wurde der Innovationsbegriff neu orientiert, es geht nicht mehr nur um Orientierung am Markt, sondern es sind „soziale Innovationen“ notwendig! In einer Fallstudie wird das Wirken der IKT untersucht:Was ist passiert? Welcher wirtschaftliche Nutzen ergab sich? Welche Emanzipation der Bürger gab es? Je untersuchtem Ort bzw. Ortsteil soll eine Fokusgruppe auch quantitativ befragt werden. Die Ergebnisse können für die kommunale Entwicklung interessant sein.
Vorschau auf Termine:
4.Mai 2016 AÖW- Mitgliederversammlung mit öffentlicher Veranstaltung in Nürnberg
21.Oktober 2016 IKT-Jubiläums-Mitgliederversammlung „30 Jahre IKT“