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Kritische Anmerkungen zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie

Publiziert am: 21. Juni 2007 von IKT-Admin
Stellungnahme zur EU-Wasserrahmenrichtlinie für Gewässer 2007

Die Ziele der WRRL stellen angesichts des tatsächlichen Zustandes der Gewässer in Europa eine riesige Herausforderung dar, jedoch sind die Umweltziele, das Ziel des „guten Zustandes“ für die Oberflächen- und
Grundwasserkörper, das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot durch die bisherigen Ergebnisse der Bestandsaufnahme und Bewertung der Landesregierungen massiv gefährdet.

Mehr als die Hälfte z. B. der größeren bayerischen Fließgewässer, ebenso wie viele der Grundwasserkörper sollen laut vorläufiger offizieller Bewertung als „erheblich verändert“ oder als Kandidat für diese Kategorie eingestuft werden.

Hoffnung gibt jedoch sowohl die vorgesehene Zeitschiene zur Umsetzung der WRRL, wie auch die gesetzlich vorgegebenen Maßnahmenprogramme, die in den bis zum Jahr 2009 erarbeiteten Bewirtschaftungsplänen umgesetzt werden müssen.

Künftig sollen alle Nutzungen und Eingriffe, die im Zusammenhang mit einer Flussgebietseinheit stehen, koordiniert mit Hilfe von Bewirtschaftungsplänen vonstatten gehen. Diese sind als die fachliche und wasserrechtliche Grundlage für ein zielgerichtetes, geordnetes und vor allem abgestimmtes Handeln zu verstehen, um möglichst vielen Nutzungsansprüchen gerecht zu werden. Entscheidend ist also die
Umsetzung der Maßnahmenprogramme. Voraussetzung dafür ist wiederum die korrekte Umsetzung vorhandener Richtlinien und Gesetze, wie zum Beispiel neben der EU-Wasserrahmenrichtlinie auch der EU-Nitratrichtlinie.

Entscheidend jedoch für den Erfolg wird eine umfassende öffentliche Beteiligung an allen Schritten der Bewirtschaftungspläne sein. Je größer die öffentliche Beteiligung, desto fundierter werden die Pläne
ausfallen, desto besser sind sie legitimiert und verpflichten Politik und Öffentlichkeit zur korrekten Umsetzung.

Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie – WRRL –

Angesichts des tatsächlichen Zustandes der Gewässer in Europa sollte allen Verantwortlichen eine Verbesserung der Situation angelegen sein. Den Berichten der Europäischen Umweltagentur [1] <#_ftn1> zu Folge hat sich die Gewässerverschmutzung seit 1980 nicht generell verbessert und vor allem bei kleineren Fließgewässern und dem Grundwasser sogar verschlimmert. Der Wasserausbeutungsindex (water exploitation index) hat sich seit 1980 insbesondere in Südeuropa ebenfalls nicht verbessert[2]<#_ftn2>, die bewässerten Flächen wurden seit 1985 um 20 Prozent ausgeweitet und in vielen Küstenregionen macht sich eine
Grundwasserversalzung bemerkbar. Diese Verschlechterung der Gewässersituation fand trotzdem statt, während zur gleichen Zeit die EU mehr als 25 Richtlinien und Verordnungen erließ, die die europäischen
Gewässer schützen sollte: Eine Verordnungsflut, allerdings ohne wirklichen Wert.

Konkretisiert werden die Allgemeinen Ziele der Wasserrahmenrichtlinie durch die Festlegung der Umweltziele
in Art. 4

Hieraus leitet sich u.a.

•  ein allgemeines Verschlechterungsverbot her,

•  die Erreichung eines guten chemischen und ökologischen Zustands für Oberflächengewässer und

•  die Erreichung eines guten ökologischen Potentials und guten chemischen Zustands für künstliche und erheblich veränderte Wasserkörper.

Alle signifikanten und anhaltenden _Trends einer Steigerung der Konzentration von Schadstoffen aufgrund der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten sind umzukehren und so die Verschmutzung des Grundwassers
schrittweise zu reduzieren_. Zur weiteren Präzisierung ist für das Grundwasser durch die Europäische Kommission eine Grundwasser-Tochterrichtlinie vorgesehen.

Die Definition der genauen Ziele, Empfehlungen, Richtlinien und Maßnahmen wird allerdings nachfolgenden politischen Prozessen überlassen (durch Tochter-Richtlinien, Entscheidungen und Empfehlungen). Der Erfolg
dieser Art einer stufenweisen Gesetzgebung hängt also wieder einmal vom politischen Willen der Beteiligten ab, aber auch davon, ob alle interessierten Kreise, insbesondere die Nichtregierungsorganisationen – NGOs – und eine breite Öffentlichkeit angemessen beteiligt werden und ob die Synergien der verschiedenen angesprochenen rechtlichen Instrumente genutzt werden können.

Die zahlreichen, bereits eingerichteten technischen und politischen Arbeitsgruppen werden eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung spielen. Dabei ist gerade hier eine echte Beteiligung der NGOs von zentraler Bedeutung, um die Interessen der Öffentlichkeit und der Umwelt einbeziehen zu können. Unsere (leidvollen) Erfahrungen zeigen, dass meist erst durch die Forderungen, Einsprüche und öffentlichen Interventionen von NGOs ein wichtiges Regulativ für die Umsetzung von Umweltrecht wirksam wird.

Die Erstellung von Bewirtschaftungsplänen

Alle Entscheidungen über Nutzungen und Eingriffe in die Gewässer eines Flusseinzugsgebiets sollen mit Hilfe so genannter Bewirtschaftungspläne gefällt werden. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, für jede
Flussgebietseinheit eine kompetente Behörde zu benennen, die mit der Erstellung und Ausführung der Pläne betraut ist.

Der Bewirtschaftungsplan ist als die fachliche und wasserrechtliche Grundlage für ein zielgerichtetes, geordnetes und vor allem abgestimmtes Handeln zu verstehen, um möglichst vielen Nutzungsansprüchen gerecht zu werden.

Der Bewirtschaftungsplan muss bis 2009 erarbeitet sein und wird regelmäßig (spätestens alle sechs Jahre) angepasst und fortgeschrieben.

Die Mitgliedsstaaten müssen für jede Flussgebietseinheit eine verantwortliche Behörde benennen. Sie erstellt die Pläne und führt sie aus.

Für internationale Flussgebietseinheiten müssen sich die Mitgliedsstaaten um die Erstellung eines gemeinsamen internationalen Bewirtschaftungsplans bemühen.

Der Bewirtschaftungsplan für eine Flussgebietseinheit umfasst

1. eine allgemeine Beschreibung der Flussgebietseinheit, d.h. der Oberflächengewässer und des Grundwassers,
2. eine Zusammenfassung aller signifikanten Belastungen und anthropogenen Einwirkungen auf die Gewässer,
3. eine Auflistung der Schutzgebiete,
4. Karten des Überwachungsnetzes für die Oberflächengewässer, das Grundwasser und die Schutzgebiete,
5. eine Liste der Umweltziele für die Gewässer,
6. eine Zusammenfassung der wirtschaftlichen Analyse _der Wassernutzung,
7. eine Zusammenfassung aller Maßnahmen und Maßnahmenprogramme,
8. eine Auflistung der zuständigen Behörden und
9. eine Zusammenfassung der Maßnahmen zur Information und Anhörung der Öffentlichkeit.

Um die im Bewirtschaftungsplan für 2015 festgelegten Ziele zu erreichen, definiert das bis Ende 2009 festgelegte Maßnahmenprogramm für jede Flussgebietseinheit die zu treffenden Vorkehrungen, z.B.

1. Maßnahmen zur Verringerung des Eintrags durch diffuse Quellen und durch Punktquellen,
2. Maßnahmen zur Verringerung des Eintrags prioritär gefährlicher Stoffe und
3. Maßnahmen zur Verbesserung der sonstigen Gewässereigenschaften wie Uferrenaturierung und Errichtung von Fischtreppen.

Das Maßnahmenprogramm umfasst

•  Umsetzung vorhandener Richtlinien, z.B. Nitratrichtlinie, Kommunalabwasserrichtlinie,

•  Qualitätsstandards für die Gewässer zur Festlegung der Anforderungen an Einleitungen,

•  Verfolgung des Ziels zur Einführung von kostendeckenden Wasserpreisen,

•  Einführung einer Genehmigungspflicht für Entnahmen und Aufstauungen,
Einleitungen,

•  Grundsätzliches Verbot der Einleitung von Schadstoffen in das
Grundwasser und die Umkehrung einer Erhöhung von Schadstoffen,

•  Maßnahmen zur Vorbeugung vor Unfall bedingten Verschmutzungen,

•  Zusätzliche Schutz- und Sanierungsmaßnahmen zur Zielerreichung wie z.B. Einrichtung von Schutz- und Schongebieten, Bau von Fischtreppen, Renaturierungen usw.

Die Erstellung der Bewirtschaftungspläne ist für die NGOs ein äußerst wichtiger Prozess, da hierbei alle für die Erreichung der Umweltziele relevanten Schritte entschieden werden. Deshalb verpflichtet die WRRL
die Mitgliedsstaaten ausdrücklich, jedermann umfassende Informationen zugänglich zu machen und die Öffentlichkeit an allen durch die Bewirtschaftungspläne abgedeckten Entscheidungen aktiv zu beteiligen.

Der entscheidende Punkt: die Informationsrechte für die Öffentlichkeit

Für NGOs dürfte ein Passus in Artikel 14 der WRRL höchste Bedeutung erlangen:

“Auf Antrag wird auch Zugang zu Hintergrunddokumenten und -informationen gewährt, die bei der Erstellung des Bewirtschaftungsplanentwurfs herangezogen wurden.“

Insbesondere sollen Einzelheiten über die Kontrollmaßnahmen für punktförmige Verschmutzungsquellen (Artikel 11(3)(i)) und für andere Beeinträchtigungen des Gewässerzustands (Artikel 11(3)(j)) auf Antrag zugänglich gemacht werden.

Artikel 14 sieht also auf Antrag den Zugang auch zu den eigentlichen Mess- und Überwachungsdaten vor. Diese Daten sollten es NGOs ermöglichen, sämtliche Entscheidungen über die Bewirtschaftung und den
Schutz der Gewässer einer Flussgebietseinheit kritisch zu hinterfragen und zu bewerten. Durch Aufdeckung und Kritik strategischer Schwächen in den Bewirtschaftungsplänen haben NGOs die Gelegenheit, mit Unterstützung der Öffentlichkeit die Zukunft der europäischen Gewässer zum Besseren zu wenden.

Entscheidend für ein transparentes Wassermanagement ist eine umfassendeöffentliche Beteiligung an allen Schritten der Bewirtschaftungspläne. Je größer die öffentliche Beteiligung, desto fundierter werden die Pläne
ausfallen, und desto besser sind sie legitimiert und von der öffentlichen Meinung getragen.

Beteiligungsprozess für die Naturschutzverbände bisher ungenügend

Der bisherige Beteiligungsprozess[3] <#_ftn3> entspricht nicht der Intention des Art. 14 der WRRL, wo es expliziert heißt: „Die Mitgliedsstaaten fördern die aktive Beteiligung aller interessierten Stellen an der Umsetzung dieser Richtlinie…“. Die bisherige Beteiligung war nur eine formale, eine wirkliche Mitwirkung war nicht gegeben. Die bedeutsamen Beiträge der Umweltverbände fanden keinen Niederschlag in Bestandsaufnahme und Bericht. Im Gegenteil: Wichtige fachliche Arbeiten, die von den Umweltverbänden z.B. Bund Naturschutz in Bayern und Landesbund für Vogelschutz in Bayern gefordert oder unterstützt wurden,
sind nicht Bestandteil des Berichtes. Dazu gehört unter anderem die differenzierte Aufnahme von Grundwasserkörpern in kleinerem Betrachtungsraum, aber auch die Aufnahme der grundwasserabhängigen
Landökosysteme.

Die fachlich begründeten Beiträge der Naturschutz- und Umweltverbände zur Problematik der „erheblich veränderten Wasserkörper“ führten nicht zu einer Verbesserung der Kriterien im Sinne der CIS- Leitfäden[4]
<#_ftn4> und der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie. Die von den bayerischen Behörden vorgelegten Ausarbeitungen führen im Gegenteil zu einer fortschreitenden Verschlechterung und Aushöhlung der Kriterien,
die weder fachlich begründet, noch gerechtfertigt sind. Damit fehlt auch die Transparenz von Festlegungen. Ein zentrales Element der„Empfehlungen der Wasserdirektoren“ von Dublin (Juni 2004)[5] <#_ftn5>
wird so nicht erfüllt.

Lebensadern der Menschheit – begradigt, geschunden und abqualifiziert

Flüsse und Flusslandschaften zählen zu den schönsten, artenreichsten, zugleich auch sensibelsten Lebensräumen Mitteleuropas. Aus gutem Grund werden Bäche und Flüsse, zusammen mit den sie umrahmenden begleitenden Auen, nicht nur Lebensadern der menschlichen Zivilisation, sondern darüber hinaus das „ökologische Rückgrat“ des Landes genannt. Flüsse und Bäche mit ihren Überschwemmungsgebieten prägen die Landschaften und sind für die biologische Vernetzung von unschätzbarem Wert.

Doch kaum ein Teil der Natur wird so geschunden wie die Flüsse. Aufgrund vielfacher Nutzung durch Siedlungen, Industrie, Verkehrswege, Hochwasserschutz und intensive Landwirtschaft sowie durch
Wasserkraftanlagen sind rund 80 Prozent der Fluss-Auen verloren gegangen. Die Hochwassergefahren steigen durch Einengung des Flussbetts, Begradigung (Laufverkürzung) und Eindeichung. Erst langsam setzt sich
die Erkenntnis durch, dass der „Ausbau“ der Flüsse zu Wasserstraßen, wie die Kanalisierung schamhaft genannt wird, die Fließgewässer zerstört, die Hochwassergefahr weiter erhöht und die wertvollen Lebensräume der Auen vernichtet.

Dennoch, wo man den Flusslandschaften halbwegs ihren natürlichen Charakter belässt, schlägt ein kräftiger Puls in diesen Adern der Regionen, und sie bleiben eine wichtige Lebensgrundlage der Bevölkerung.
Sie bilden die Basis für eine zukünftige nachhaltige Regionalentwicklung, vor allem für sanften Tourismus und nachhaltige Landwirtschaft. Dies ist der Bevölkerung und den Entscheidungsträgern in Mitteleuropa nur selten bewusst.

Sebastian Schönauer

 

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